Quelle:


http://www.krankenschwester.de/forum...krankenpflege/ 5005-lippen-kiefer-gaumen-spalte.html




Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKG - Spalte)

Definition:

= häufigste angeborene Fehlbildung im Kopf- u. Gesichtsbereich; es handelt sich um eine ein- oder beidseitige Hemmungsfehlbildung in der Differenzierungsphase, die mit einer inkomplette Fusion der embryonalen Gesichtsfragmente im 1.-2. Embryonalmonat einhergeht ; es gibt isolierte u. kombinierte Formen der Spaltbildung

Häufigkeit 1:500 (In Deutschland werden pro Jahr 1500 Kinder mit LKG - Spalte geboren.). Jungen sind gegenüber Mädchen mit 3:2 häufiger betroffen.


Ursache:

nicht vollständig geklärt, meist unbekannte Störung der embryonalen Entwicklung in der Frühschwangerschaft
genetische Ursache ist anzunehmen, familiäre Häufung beobachtet, auch Generationensprung möglich
exogene Faktoren, wie Sauerstoffmangel, Rauchen (Risiko erhöht sich um den Faktor 1,5), Alkohol, Vitaminmangel oder Überdosierung der Vitamine A und E
Einteilung:

Verschiedene Schweregrade:

Schweregrad 1: Lippenspalte/ Hasenscharte, ein-/beidseitig vorkommend
→ Spaltbildung auf die Oberlippe beschränkt; als Verlängerung
des Nasenlochs

Schweregrad 2: Lippen-Kieferspalte, ein-/beidseitig auftretend
→ Spalt setzt sich Innen bis in den knöchernen Oberkiefer fort

Häufigkeit bei Schweregrad 1 u. 2 liegt bei 10-15%.

Schweregrad 3: Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (häufigste Erscheinungsform: einseitige mit
45%), ein-/beidseitig (beidseitig: „Wolfsrachen“) bei der schwersten Form auch
der knöcherne Gaume gespalten

Häufigkeit einer isolierten Gaumenspalte liegt bei 36%.

Tritt die Hemmungsfehlbildung
zu Beginn der Differenzierungsphase auf, kommt es zu Lippen- u. Gesichtsspalten (5.-6. Embryonalwoche)
innerhalb der Differenzierungsphase auf, entstehen Kieferspalten
am Ende der Differenzierungsphase auf, so bilden sich Gaumenspalten (10.-12. Embryonalwoche) = Verwachsung der Gaumenfortsätze gestört
Im Allgemeinen sind Spaltbildungen um die 18.-20. SSW bei der Sonographie erkennbar.

Symptome:
Trinkprobleme, cave: Aspiration
optische Veränderung:
- quere Gesichtsspalten, mit ein- od. beidseitiger Erweiterung der Mundwinkel

- schräge Gesichtspalten, von Oberlippe zum inneren Augenwinkel

Komplikationen/ Auswirkungen:
Trinkschwierigkeiten: schlechtes Gedeihen
Aspiration, da Mundraum meist nicht vollständig zum Nasenraum abgedichtet werden kann (Gefahr von akuter Atemnot u. einer Aspirationspneumonie)
häufige Infekte der oberen und unteren Luftwege (Laryngitis, Rhinitis, Kehlkopfschwellung, Bronchitis, selten Pneumonie), aufgrund der spaltbedingten Mundatmung und der mangelhaften Funktion der Nase (Behinderung der Nasenatmung durch Einengungen oder Verbiegungen des Nasenseptums.)
Mitbeteiligung des Mittelohrs u. der eustachischen Röhre aufgrund einer möglich veränderten Anatomie im Rachenbereich und der darausfolgenden eingeschränkten Belüftung des Mittelohres über die Ohrtrompete. Gefahr eines Paukenerguss mit einer gering- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit, sowie einer Otitis media.
Fehlstellung des Kiefers, der Zähne durch ungünstige Druckverhältnisse im Mund
Störung der Sprachentwicklung (bes. bei Gaumenspalte): das Erlernen der richtigen Artikulation kann durch die Zahnfehlstellung entscheidend beeinträchtigt werden
Psychische Belastung: durch Unverständnis der Umgebung, z.B. Hänseleien im Kindergarten, ständige Therapie- und Klinikaufenthalte, welche immer wieder Einschnitte in das normalen Leben bedeuten, ästhetische Auffälligkeit, mangelndes Selbstwertgefühl
Wenn der Gaumen erst sehr spät verschlossen wird, können sich mimische Mitbewegungen im Bereich der Nase, des Mundes oder der Stirn herausbilden.
Therapie:

Behandlung der Spaltbildung besteht im Verschluss der Spalten u. einer möglichst exakten Wiederherstellung der physiologischen anatomischen Verhältnisse.
(= vollständige ästhetische u. funktionelle Rehabilitation)

Obwohl durch die kieferchirurgischen Operationen die Grundlagen für den Erfolg der
Behandlung gelegt werden, sind auch Vertreter anderer medizinischer Fachgebiete maßgeblich an der Betreuung des Kindes beteiligt: der Kieferorthopäde, der Kinder- und HNO-Arzt, der Logopäde und der Zahnarzt.
Da viele Behandlungsschritte ineinander greifen und sich das Aussehen des Kindes aufgrund des Wachstums ständig verändert, kann das endgültige Ergebnis genau genommen erst nach der Pubertät beurteilt werden.

Der Grund dafür liegt darin, dass zu früh vorgenommene Operationen an bestimmten Abschnitten der Spalte, besonders am harten Gaumen, zu Wachstumsstörungen führen können, während zu späte Operationen, z.B. am weichen Gaumen, mit einer verzögerten oder fehlerhaften Sprachentwicklung verbunden sind.

Erster Behandlungsschritt:

Anfertigung einer Gaumenplatte, die in ersten Lebenstagen eingesetzt wird u. das Trinken erleichtert, sowie der Ausformung des Zahnbogens dient.

Alle 6-8 Wochen Erneuerung der Platte.

(Wenn harter Gaumen keine Spalte aufweist, also lediglich eine LK- oder eine isolierte Spalte des weichen Gaumens vorliegt, ist eine Plattenbehandlung nicht notwendig.)

Chirurgische Behandlung

Anzahl der OPs ist sowohl von der Form, also der Ausdehnung der Spaltbildung, als auch vom Ergebnis der Erstbehandlungen abhängig.
Liegt z.B. ausschließlich eine Spaltbildung im weichen Gaumen vor, so besteht die chirurgische Behandlung meistens aus nur einer einzigen Operation.


Wenn aber eine vollständige LKG-Spalte vorhanden ist, so sind i.d.R. vier OPs nötig, bis die gesamte Spalte verschlossen ist.
Zusätzlich zu diesen „Basisoperationen“ nicht selten Korrekturoperationen erforderlich, die meistens vor Einschulung oder nach Abschluss des Wachstums durchgeführt werden.


1. Verschluss der Lippenspalte (Lippenplastik)

= erste OP im Alter von 3-4 Monaten, Mindestgewicht: 5kg

Ziel: nicht nur die Vereinigung der Muskulatur und Ausformung einer harmonischen Lippe, sondern auch die Bildung des Nasenbodens und die teilweise Korrektur der Nasenfehlstellung (zu einem späterem Zeitpunkt: Korrektur der Nasenflügel, da Gewebe noch sehr fein)
Nach dem Eingriff erhält das Kind eine Ernährungssonde, damit Naht an der Lippe nicht belastet wird u. möglichst gut verheilen kann (Fäden nach 5-7d entfernt).

Während des stationären Aufenthaltes eine Trinkplatte eingesetzt. Die feine Narbe an der Oberlippe wird noch über einige Wochen gerötet sein, und auch später kann man sie bei genauem Hinschauen natürlich noch erkennen.

2. Verschluß des weichen Gaumens (Velumplastik)

Etwa ein halbes Jahr (ca. 9.LM)nach dem Verschluß der Lippe wird die Velumplastik durchgeführt.
Ziel: nicht nur Spaltränder vereinigen, sondern bes. Rekonstruktion einer Muskelschlinge

Bei Velumplastik werden Muskelenden aus beiden Hälften des weichen Gaumens zusammengefügt, so dass dann während des Essens und Sprechens eine Trennung von Mund- u. Nasenhöhle möglich ist.

Ähnlich wie bei der Lippenplastik auch hier Ernährungssonde sinnvoll. (Benutzung v. selbstauflösenden Fäden → Nahtentfernung nicht notwendig)
Die meisten Kinder benötigen nach der Velumplastik keine Gaumenplatte mehr.

3. Verschluß des harten Gaumens (Gaumenplastik)

ca. ab 2.-3. Lebensalter
Ziel: Vollständiger Verschluss der Spalte durch Schleimhautablösung von beiden
Gaumenrändern
Durch Lippen- u. Velumplastik oftmals Verschmälerung der Restspalte, so dass vor der OP die Spaltränder des harten Gaumens bereits fast aneinander liegen.
(= Vorteil: Chirurg muss nur noch Schleimhaut des Oberkiefers geringfügig von beiden Seiten des Gaumens zur Mitte ziehen → atraumatisches Operieren → am harten Gaumen bes. wichtig, denn je ausgiebiger man die Schleimhaut zum Verschluß der Spalte ablösen muss, desto stärker kann durch die resultierende Narbenbildung das spätere Wachstum des Oberkiefers eingeschränkt werden)


Wegen der negativen Auswirkungen auf die Sprache darf mit dem Verschluss des harten Gaumens nicht zu lange gewartet werden.
Auch hier Ernährungssonde postoperativ wieder sinnvoll.

4. Verschluß der Kieferspalte (Osteoplastik)

Zähne können nicht durchbrechen, da im Bereich der Kieferspalte kein Knochen vorhanden → Zahnlücke .

Im Alter von 8-10, spätestens mit 12 J. muss etwas Knochen in die Kieferspalte eingesetzt werden, dann erst können häufig „steckengebliebene“ Eckzahn durchbrechen und von einem Kieferorthopäden in die normale Zahnreihe eingeordnet werden.

Der für die Osteoplastik benötigte Knochen wird über einen kleinen Schnitt aus dem Beckenkamm gewonnen. Der Verschluss der Kieferspalte zum richtigen Zeitpunkt ist für das Kind sehr wichtig, wenn das Tragen eines künstlichen Zahnersatzes vermieden werden soll. Ein günstiger Nebeneffekt der Osteoplastik besteht in der Anhebung des manchmal noch abgesunkenen Nasenflügels, was eine Voraussetzung für den Erfolg einer späteren Nasenkorrektur ist.


Korrekturoperationen
bis zur Einschulung:OPs zur ästhetischen Verbesserung (z.B. Narbenkorrektur od. Aufrichtung der Nasenspitze), dienen aber auch funktionellen Aspekten z.B. Velopharyngoplastik zur Sprachverbesserung


· nach der Pubertät: Septorhinoplastik (Nasenkorrektur), Umstellungsosteotomie
(falls Oberkiefer, trotz intensiver kieferortho-pädischer Behandlung sich nicht weit
genug nach vorne entwickelt hat, chirurgischer Eingriff um gewünschte Position
herzustellen)


Begleitende Behandlungen

1. Kontrolle des Gehörs
Durch Spaltbildung des weichen Gaumens: Funktionsstörung der Eustachischen Röhre (Minderbelüftung des Mittelohrs, kein Druckausgleich möglich → gehäuft Otits media oder Paukenergüsse)

Maßnahmen:
- ab 3.LM Hörprüfungen sinnvoll
- bei jeder OP Beurteilung der Trommelfelle (Ohrmikroskopie)
- evtl. Einsetzen von Paukenröhrchen



2. Prüfung der Sprachentwicklung
Fast das wichtigste Ziel der gesamten Behandlung ist es, eine normale und unauffällige Sprache zu erreichen. Hierzu ist trotz sorgfältig durchgeführter Operationen manchmal eine zusätzliche sprachtherapeutische Behandlung notwendig.

Vorstellung des Kindes etwa im 3.-4. Lebensalter bei Facharzt für Phoniatrie u. Pädaudiologie → Beurteilung, ob Logopädie erforderlich.

Spracherwerb weites gehend normal, es kann aber zu „offenem Näseln“ u. undeutlicher Aussprache kommen.



3. Korrektur der Zahnstellung

Die Korrektur von Zahnfehlstellungen erfolgt durch den Kieferorthopäden und vollzieht sich im wesentlichen in drei Behandlungsabschnitten:



Frühbehandlung:
Mit Einsetzen der Gaumenplatte kann vom Kieferchirurgen der Grundstein dafür gelegt werden, dass es später nicht zu einer zu großen Kieferfehlstellung kommt. Durch Einschleifen der Platte (ca. alle 2-3 Wochen) und immer wieder neues Anpassen an den wachsenden Kiefer (ca. alle 6-8 Wochen) wird eine Annäherung der manchmal weit auseinanderstehenden oder verschobenen Spaltränder angestrebt.

Besonders wichtig ist diese Frühbehandlung mit der Gaumenplatte bei beidseitiger LKG - Spalte, damit das zwischen den Kieferspalten stehende Segment („Zwischenkiefer“) einen guten Anschluß an den übrigen Alveolarfortsatz findet. Später gelingt es dann leichter, die durchbrechenden Zähne in einen harmonischen Zahnbogen einzuordnen.


Behandlung des Milchgebisses:
Ab 2. Lebensjahr regelmäßige durch Zahnarzt und Kieferorthopäde bezügl. Gebiss- und Kieferentwicklung.


Behandlung im Wechsel- und bleibenden Gebiss:
Mit dem Zahnwechsel im Bereich der Schneidezähne Beginn einer intensiven kieferorthopädischen Behandlungszeit.

Evtl. hier Velopharyngoplastik.

Auch die weitere Gebissentwicklung wird bis zum Abschluss des Wachstums vom Kieferorthopäden und dem Zahnarzt überwacht, evtl. Zahnspange.


Behandlungskontrollen:
Während der gesamten Behandlungszeit, also von der Geburt des Kindes bis zum Erwachsenenalter muss der Verlauf der Behandlung gesteuert und mit den beteiligten Fachrichtungen koordiniert werden.
Dies geschieht durch jährliche im Geburtsmonat stattfindende Kontrollen, um Behandlungsergebnisse an Hand von Dokumentationsmaterial (Röntgenbilder, Kiefermodelle, Fotographien, Sprachaufzeichnungen,...) kritisch zu überprüfen.