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Mathias
26.12.2005, 20:06
Hallo Ihr Alle!

süsser-lockenkopf hat folgendes geschrieben:

Ich sehe es als eine angeborene Fehlbildung und wenn mich jemand "behindert" nennt, könnte ich rot anlaufen. Denn das hat noch keiner. Nicht mal ein Arztttttttttt, keiner!

Das man sie als Behinderte bezeichnet, hören manche LKGS-Selbstbetroffene nicht gerne. Diese Einstellung teilte ich lange auch. Heute denke ich, dass diies falsch war. Wenn man selbst zur Behinderung steht kann einem unter Umständen viel besser geholfen werden, bei Dingen in denen man eben beeinträchtigt ist und das ist eigentlich keine Schande.

BEHINDERT
In einem Buch habe ich mal folgenden Satz gelesen,
der so finde ich, sehr gut zu diesem Thema passt:
ES VERLETZT DICH NICHT DASS WAS ANDERE SAGEN , SONDERN DASS WAS DU DARÜBER DENKST

Das Wort BEHINDERUNG hat für viele nur deshalb eine negative Bedeutung, weil es als WERTIGKEITSMESSER benutzt wird, und zwar oft negativ.
Betroffene sehen darin eine Geringschätzung ihrer Person.
Behindert!? Körperbehindert, Geistig-, Seh-, Sprachbehindert - ja was denn eine Gaumenspalte -LKGS - was ist das denn?
So wird es wohl schlecht informierten Mitmenschen gehen, sie denken an die ersten Begriffe und das verstehen nur das unter einer Behinderung.
Von schlechten Zeitgenossen wird der Begriff Behinderung mißbraucht zur Diffamierung und Herabsetzung von Menschen mit versch. Behinderungen.
Der Begriff Behinderung ist nur allgemeiner Oberbegriff, Behinderungen werden von Außenstehenden und leider von Selbstbetroffenen nicht differenziert. Hierin liegt das Problem - man hat als Betroffener Angst unter Umständen eben somit in eine falsche Schublade gesteckt zu werden.
Bei LKGS kann dies durch Aussprache und was mit dem Kiefer dann
zusammenhängen kann, durch das Aussehen unter Umständen schnell passieren.
Aufklärung der Gesellschaft über die Verschiedenartigkeit der Behinderungen ist notwendig.
mathias

Ritschie
26.12.2005, 21:06
Um mal von vornherein etwas von der dem Wort "Behinderung" innewohnenden Emotionalität herauszunehmen, habe ich mal ein paar "sachliche" Formulierungen aus der "Wikipedia" kopiert. Gleichzeitig kann uns das als eine Art Diskussionsgrundlage dienen:

Stichwort: "Körperbehinderung"

Der Ausdruck Körperbehinderung bezeichnet eine angeborene oder erworbene, vollständige oder teilweise, vorübergehende oder anhaltende Beeinträchtigung körperlicher Funktionen (...)
Dennoch gilt in weiten Bereichen immer noch, dass Behinderungen häufig erst durch soziale Ausgrenzung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung führen, wie es die Aktion Mensch in ihrem Leitspruch "Man ist nicht behindert - man wird behindert" ausdrückt.

Die soziale Ausgrenzung kommt nicht zuletzt in abwertenden Bezeichnungen (z.B. invalid aus dem Lateinischen für "ungültig") bzw. Schimpfworten wie "Krüppel" oder "Missgeburt" oder der spanischen Bezeichnung für Behinderte - "minusválidos" ("Minderwertige") - zum Ausdruck (...)

Stichwort: "Lippen-Kiefer-Gaumenspalte"
(...) Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte kann vielfache Auswirkungen haben:
• Atembeschwerden (...)
• Probleme bei der Nahrungsaufnahme im Neugeborenenalter(...)
• Sprechprobleme(...)
• Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen(...)
• Wenn der Oberkiefer betroffen ist, können Zähne fehlen oder Zahnfehlstellungen auftreten(...)

Halte ich meine Tochter Luise für behindert? Nun, sie ist im Besitz eines Schwerbehindertenausweises (obwohl ihre mit der Spalte zusammenhängende Problematik im Moment für sie so gut wie keine Rolle spielt).
Sie hat allerdings bisher schon einige Probleme mit ihren Ohren gehabt (besitzt u.a. deswegen Dauerröhrchen). Außerdem hat sie eine mal mehr und mal weniger nasale Aussprache.
Gehänselt wurde sie - soweit ich weiß - wegen ihrer Spalte noch nie.

Von den OPs will ich jetzt mal gar nicht reden.

Halte ich sie also für behindert? Emotional gesehen möchte ich sagen: sie ist fitter als so manch anderes Kind, was ohne Fehlbildung geboren wurde (ihre beste Freundin z.B. lispelt "gar schrecklich").
Sachlich gesehen muss ich zugeben, dass sie in ihrem gerade mal 5jährigen Leben schon einiges an Beeinträchtigungen hinzunehmen hatte. Das beginnt - ganz banal - bei der Tasache, dass sie beim Baden diese angepassten Ohrstöpsel tragen muss. Und es endet bei all den OPs, die sie schon hinter sich hat und die noch kommen. Auch wenn dies Wort leider keinen schönen Klang hat - ich muss sagen: die Spalte behindert sie. Also "ist sie behindert".
So empfinde ich es momentan als Vater.

Mathias
26.12.2005, 23:13
Um mal von vornherein etwas von der dem Wort "Behinderung" innewohnenden Emotionalität herauszunehmen, habe ich mal ein paar "sachliche" Formulierungen aus der "Wikipedia" kopiert. Gleichzeitig kann uns das als eine Art Diskussionsgrundlage dienen:

Stichwort: "Körperbehinderung"

Der Ausdruck Körperbehinderung bezeichnet eine angeborene oder erworbene, vollständige oder teilweise, vorübergehende oder anhaltende Beeinträchtigung körperlicher Funktionen (...)
Die soziale Ausgrenzung kommt nicht zuletzt in abwertenden Bezeichnungen (z.B. invalid aus dem Lateinischen für "ungültig") bzw. Schimpfworten wie "Krüppel" oder "Missgeburt" oder der spanischen Bezeichnung für Behinderte - "minusválidos" ("Minderwertige") - zum Ausdruck (...)

Stichwort: "Lippen-Kiefer-Gaumenspalte"
(...) Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte kann vielfache Auswirkungen haben:
• Atembeschwerden (...)
• Probleme bei der Nahrungsaufnahme im Neugeborenenalter(...)
• Sprechprobleme(...)
• Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen(...)
• Wenn der Oberkiefer betroffen ist, können Zähne fehlen oder Zahnfehlstellungen auftreten(...)

Halte ich meine Tochter Luise für behindert? Nun, sie ist im Besitz eines Schwerbehindertenausweises (obwohl ihre mit der Spalte zusammenhängende Problematik im Moment für sie so gut wie keine Rolle spielt).
Sie hat allerdings bisher schon einige Probleme mit ihren Ohren gehabt (besitzt u.a. deswegen Dauerröhrchen). Außerdem hat sie eine mal mehr und mal weniger nasale Aussprache.
Gehänselt wurde sie - soweit ich weiß - wegen ihrer Spalte noch nie.

Von den OPs will ich jetzt mal gar nicht reden.

Halte ich sie also für behindert? Emotional gesehen möchte ich sagen: sie ist fitter als so manch anderes Kind, was ohne Fehlbildung geboren wurde (ihre beste Freundin z.B. lispelt "gar schrecklich").
Sachlich gesehen muss ich zugeben, dass sie in ihrem gerade mal 5jährigen Leben schon einiges an Beeinträchtigungen hinzunehmen hatte. Das beginnt - ganz banal - bei der Tasache, dass sie beim Baden diese angepassten Ohrstöpsel tragen muss. Und es endet bei all den OPs, die sie schon hinter sich hat und die noch kommen. Auch wenn dies Wort leider keinen schönen Klang hat - ich muss sagen: die Spalte behindert sie. Also "ist sie behindert".
So empfinde ich es momentan als Vater.

Da kann ich Dir nur zustimmen:
"Man ist nicht behindert - man wird behindert"
Für gilt insbesondere der Satz: Dennoch gilt in weiten Bereichen immer noch...
Bei mir war es eben mal der Besuch der sog. Sprachheilschule, dadurch bin ich oder empfand ich mich ausgegrenzt - hatte kaum Kontakt zu "normalen" Kindern. Es waren dort kaum Kinder mit Spalten -
eine Theapie (Logopädie) nur am Kindergarten und bis zur 2. Klasse, danach nichts. Bei mir war dann austherapiert!
Ich mußte jedoch die Schule weiter besuchen.
Man sagte mir: "Das ist gut für Dich, da bist unter Deinesgleichen."
Mein Selbstbewußtsein wurde dadurch nicht gerade gestärkt!Ich selbst wollte ab der 5. Klasse aus der genannten Gründe aus der Schule. Mit den dortigen Schülern konnte man nur in der Schule kontakt haben, den diese waren fast alle von Außerhalb, für einen kleinen Schüler nachmittags nicht zu erreichen. Doch die Elten ließen sich überreden. Das mit dem Kiefer war da irgendwie schon zu sehen.
Oft stell ich mir die Frage: Wäre es besser gewesen aus dieser Schule in die Regelschule zu gehen. Sicherlich wäre mit einem Aussehen oder Aussprache aufgezogen worden. Jedoch hätte ich viel früher gelernt damit umzugehen.. Außerdem bekommt man zu seiner Behinderung weitere Defizite.Diese ist ein Streitpunkt mit meinen Eltern, gerade jetzt mit der OK-Vorverlagerung, kommt vieles unbewälitgtes wieder zum Gespräch. Nach dieser Schule besuchte ich eine weiterführende normale Schule, aber ich hatte es dann eben viel schwerer. Ich hätt´heute vielleicht ein paar Probleme weniger. Jetzt hab´mir mal was von der Seele geschrieben!
mathias

A.Makdissi
26.12.2005, 23:13
Für mich als Therapeutin ist das Wort "Behinderung" keinesfalls eine Beleidigung oder Degradierung. Ich habe täglich mit den unterschiedlichsten "Behinderungen" - egal ob körperlich, sprachlich, geistig- zu tun....und ich denke , das dieses Wort für mich auch deshalb keinen negativen Klang hat, weil ich keine Berührungsängste habe!

Mal ganz ehrlich - habe ich mir meinen Arm gebrochen, bin ich "behindert"! Ich selber trage eine Brille - ohne könnte ich kein Auto fahren, kein Fernseh schauen und nicht einaml in fremder Umgebung spazieren gehen...also bin ich in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt/behindert. Selbst eine starke Erkältung "behindert"-beeinträchtigt uns in unserem alltäglichen Leben.

Ich denke, es kommt immer darauf an, womit man diese Worte verbindet, ob man sie mit negativen Gedanken verbindet, oder nicht.
Ausserdem ist Aufklärung wichtig - wenn ich weiß, was das z.B. Down-Syndrom ist, kann ich auch besser damit umgehen.

Und die eigenen Erfahrungen spielen eine Rolle...ich habe davon viele, denn ich habe schon vor meinem Studium mit behinderten Menschen (körper-geistig-sprachlich behindert) gearbeitet.Besonders von den meist schwer betroffenen Kindern habe ich so viel zurückbekommen und auch erfahren dürfen, dass ist eine sehr große Bereicherung für mich.
Und eines habe ich sehr früh gelernt:
Egal ob und welche Behinderung - jeder Mensch ist es wert ihn kennenzulernen! Jeder von uns ist eine ganz besondere Persönlichkeit, mit allen Stärken und Schwächen!

blondi
27.12.2005, 13:44
Ich glaube, dass Lockenkopf deshalb so krass reagiert hat weil doch heutzutage das Wort "behindert" auch so oft missbraucht wird.
D.h. wenn ich in der Schule (in der ich momentan Praktikum mache) mich umhöre, wie die Jugendlichen miteinander reden, da fällt so manches mal der Satz: "Man ... bist du behindert oder was?!"

Behindert wird da dann doch gleichgesetzt mit "bescheuert,blöd..."
und vielleicht deshalb der "Ausraster"

oder sehe ich das falsch?

Die WHO unterscheidet den Begriff Behinderung ja nach 3 Begrifflichkeiten.
Schaden
funktionale Einschränkung und
soziale Beeinträchtigung

Wenn man diese Begriffe näher anschaut sieht man ja ganz deutlich dass darunter auch die LKGS fällt.

Ich mag den Begriff Behinderung auch nicht so arg, wenn ich jemand davon erzähle verwende ich dann eher das Wort "Fehlbildung", weil wie oben schon erwähnt das Wort Behinderung immer so einen nachgeschmack hat.....

Mathias
27.12.2005, 15:03
JA, so wird sie´s wohl sehen. Aber das ist es eben, der Begriff Behinderung ist zu allgemein.
mathias

maria
27.12.2005, 20:36
Hallo Matthias,

auch ich als Elternteil kann auch nur schreiben, das ich die LKGS meines Sohnes auch als eine erhebliche Behinderung sehe, er hat sehr große Essprobleme und auch logopädisch ist es bei ihm nicht leicht.
Wie schon geschrieben, auch wie Ritschie schon schrieb, sehe ich auch Florian als behindert.

Ben
27.12.2005, 21:53
Es hört sich jetzt etwas blöd an, aber ich unterscheide zwischen den Begriffen Behinderung und behindert!

für mich stellt die LKGS eine Behinderung dar, aber ich fühle mich dennoch lange nicht behindert! Denn eine Behinderung hat jeder Mensch, egal in welcher Form!

Mathias
28.12.2005, 00:42
Hallo Maria,
sicherlich stellen Spalten eine Behinderung dar. Ich hab´nochmal darüber nachgedacht.
Wie gesagt einige Spaltpatienten betrachten sich nicht als behindert.
Einerseits ist dies vielleicht auch verständlich, denn in aller Regel sind Spaltpatienten nicht eingeschränkt und jetzt schildere ich wie ich das meine: Als Mensch mit Spalte kann man, sofern man will, am Leben teilnehmen, d. h. man hat nicht die Barieren wie sie vielleicht bei einem Rollstuhlfahrer auftreten (kein Fahrstuhl fürs 2. OG oder so; für einen blinden Menschen ist es (so vermute ich es) nicht sinnvoll ins Theater oder Kinder zu gehen; jemand der Taubstumm ist kann sich nicht mit x-beliebigen Leuten treffen, er müsste ihnen erst klar machen, dass er von den Lippen abließt usw. diese Menschen haben mehr Einschränkungen als Spaltpatienten. Spaltpatienten haben natürlich unter Umständen auch noch andere gesundheitliche die indirekt mit der Spalten zu tun haben.
Es kommt aber darauf an wie gut letztendlich auch die Aussprache bei Spaltpatienten ist - da gibt es eben doch Unterschiede. Letztendlich ist ein Spaltpatient in gewisser Weise in der Kommunikation eingeschränkt und somit auch mehr oder weniger behindert. Mir ist es oft schon passiert, dass andere Menschen einem entweder Behinderten ansehen, dann aber halt in eine Schublade steckten in die man nicht gehört (also übertrieben)* oder das andere Extrem, sie sehen dies nicht als Behinderung an, aber das kann genauso falsch sein.
*früher ist es mir mal passiert, dass eine Person der meine Aussprache etwas andersartig vorkam, als ich etwas erledigte mir total aufdringlich anbot mir zu helfen, was für diese Erledigung nicht notwendig war - als wenn ich total hilflos wäre. Sicherlich war die Hilfsbereitschaft gut gemeint!
- jeodoch nervig.
mathias

Anonymous
28.12.2005, 11:41
@maria ..... sei mir net bös, aber ich hoffe sehr, dass Florian es niemals lesen wird, was Du geschrieben hast ...... denn ....


Es hört sich jetzt etwas blöd an, aber ich unterscheide zwischen den Begriffen Behinderung und behindert!

für mich stellt die LKGS eine Behinderung dar, aber ich fühle mich dennoch lange nicht behindert! Denn eine Behinderung hat jeder Mensch, egal in welcher Form!


absolut :zustimm:
das trifft es wohl am besten!

Mathias
28.12.2005, 12:46
@Ronaldo, denke auch so kann man es am besten ausdrücken.

Letztendlich ist es dann doch aber ausschlaggebend, welche Bedeutung,
man für sich selbst, diesen Worten gibt.
mathias

maria
28.12.2005, 19:48
@maria ..... sei mir net bös, aber ich hoffe sehr, dass Florian es niemals lesen wird, was Du geschrieben hast ...... denn ....


Es hört sich jetzt etwas blöd an, aber ich unterscheide zwischen den Begriffen Behinderung und behindert!

für mich stellt die LKGS eine Behinderung dar, aber ich fühle mich dennoch lange nicht behindert! Denn eine Behinderung hat jeder Mensch, egal in welcher Form!


absolut :zustimm:
das trifft es wohl am besten!

Genau das trifft es auf den Punkt. Für mich persönlich ist eine Behinderung und behindert zu sein das selbe! Jeder interpretiert das Wort ganz anders....

Andrea mit Sabrina
28.12.2005, 20:58
Ich habe zu Weihnachten ein Buch bekommen (hatte es mir gewünscht, ich mache einen Gebärdensprachkurs und so etwas interessiert mich) http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3471795340/qid=1135800052/sr=8-1/ref=sr_8_xs_ap_i1_xgl/303-5376864-8182658

Ich glaube nicht, dass er sich für behindert hält.

Doreen mit Elisei
28.12.2005, 21:37
Ehrlich gesagt habe ich mit dem Wort behinderung so meine Probleme, wahrscheinlich weil es so negativ behaftet ist.
Bei meiner Tochter und auch bei Elisei benutze ich eher den Begriff Handicap. Und bei uns in der Lebenshilfe wird sowie so nur noch von "Menschen mit besonderem Förderbedarf oder besonderen Bedürfnissen" gesprochen. Leider ist das für den normalen Sprachgebrauch einfach zu umständlich, aber ich finde, das trifft es in meinen Augen ganz gut.

Kirstin
29.12.2005, 18:15
Hallo,

ich denke, dass Problem bezieht sich nicht auf Behinderung im Zusammenhang mit einer Spalte, sondern ist egal für welche Art von "Behinderung" immer problematisch. Keiner will behindert sein, m.E. ein gesellschaftliches Problem. Sieht man es aber ganz neutral, kann ich mich meinen Vorrednern nur anschliessen, im Wort "Behinderung" oder "behindert" steckt "Hindernis" - und ich glaube es wird keiner etwas dagegen sagen (gerade auch wenn ich die vielen Beiträge hier im Forum allgemein lese), dass zumindest zeit- und lebensabschnittsweise eine Spalte ein ganz schönes Hindernis darstellen kann.

mona
30.12.2005, 19:47
Um mal von vornherein etwas von der dem Wort "Behinderung" innewohnenden Emotionalität herauszunehmen, habe ich mal ein paar "sachliche" Formulierungen aus der "Wikipedia" kopiert. Gleichzeitig kann uns das als eine Art Diskussionsgrundlage dienen:

Stichwort: "Körperbehinderung"

Der Ausdruck Körperbehinderung bezeichnet eine angeborene oder erworbene, vollständige oder teilweise, vorübergehende oder anhaltende Beeinträchtigung körperlicher Funktionen (...)
Dennoch gilt in weiten Bereichen immer noch, dass Behinderungen häufig erst durch soziale Ausgrenzung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung führen, wie es die Aktion Mensch in ihrem Leitspruch "Man ist nicht behindert - man wird behindert" ausdrückt.

Die soziale Ausgrenzung kommt nicht zuletzt in abwertenden Bezeichnungen (z.B. invalid aus dem Lateinischen für "ungültig") bzw. Schimpfworten wie "Krüppel" oder "Missgeburt" oder der spanischen Bezeichnung für Behinderte - "minusválidos" ("Minderwertige") - zum Ausdruck (...)

Stichwort: "Lippen-Kiefer-Gaumenspalte"
(...) Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte kann vielfache Auswirkungen haben:
• Atembeschwerden (...)
• Probleme bei der Nahrungsaufnahme im Neugeborenenalter(...)
• Sprechprobleme(...)
• Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen(...)
• Wenn der Oberkiefer betroffen ist, können Zähne fehlen oder Zahnfehlstellungen auftreten(...)

Halte ich meine Tochter Luise für behindert? Nun, sie ist im Besitz eines Schwerbehindertenausweises (obwohl ihre mit der Spalte zusammenhängende Problematik im Moment für sie so gut wie keine Rolle spielt).
Sie hat allerdings bisher schon einige Probleme mit ihren Ohren gehabt (besitzt u.a. deswegen Dauerröhrchen). Außerdem hat sie eine mal mehr und mal weniger nasale Aussprache.
Gehänselt wurde sie - soweit ich weiß - wegen ihrer Spalte noch nie.

Von den OPs will ich jetzt mal gar nicht reden.

Halte ich sie also für behindert? Emotional gesehen möchte ich sagen: sie ist fitter als so manch anderes Kind, was ohne Fehlbildung geboren wurde (ihre beste Freundin z.B. lispelt "gar schrecklich").
Sachlich gesehen muss ich zugeben, dass sie in ihrem gerade mal 5jährigen Leben schon einiges an Beeinträchtigungen hinzunehmen hatte. Das beginnt - ganz banal - bei der Tasache, dass sie beim Baden diese angepassten Ohrstöpsel tragen muss. Und es endet bei all den OPs, die sie schon hinter sich hat und die noch kommen. Auch wenn dies Wort leider keinen schönen Klang hat - ich muss sagen: die Spalte behindert sie. Also "ist sie behindert".
So empfinde ich es momentan als Vater.

Hallo
Ich habe gerade ihr Text gelesen.Habe mal eine Frage dazu
Mein Sohn hat auch eine LKGS .Jetzt habe ich gelesen,das sie einen Behindertenausweis für ihre Tochter haben.Bekommt das mein Sohn auch?
Gruss Mona

Gabi und Lukas
30.12.2005, 20:37
Liebe Mona!
Schau doch mal im Unterforum "Geld, Gesetz und Recht" nach, da findest Du alle wichtigen Informationen über den Behindertenausweis.
Man kann ihn beim zuständigen Versorgungsamt beantragen.

Zum Thema "behindert" (ein sehr interessantes Thema!):
Als uns damals gesagt wurde, dass wir für Lukas einen Behindertenausweis beantragen dürften, war meine erste Reaktion, dass ich total geschockt war: Mein Kind? Behindert??? Sofort habe ich mich aber auch über meine eignene Reaktion geärgert. In jeder Schwangerschaft hatte ich mich mit der Frage auseinandergesetzt, was wäre, wenn das Kind behindert wäre? Ich hatte mir eingebildet, auf so etwas vorbereitet zu sein.
Ich habe schon Probleme mit diesem Begriff. In meinen Augen ist Lukas nicht behindert. Er kam mit einer Fehlbildung zur Welt. Damit möchte ich nicht ausdrücken, dass ich Menschen mit Behinderung weniger achten würde. Also bitte nicht falsch verstehen!
Liebe Grüße von Gabi

Julchie
30.12.2005, 21:10
ich finde es kommt immer noch zusätzlich auf den Grad der Spalte an um es "richtig" Behindert zu nennen,... Wenn ich von meiner Tochter spreche dann sage ich immer sie hat nen kleinen Strickfehler,... nicht das ich etwas gegen das Wort an sich habe, aber ich finde Leute die Geistig nicht ganz da sind oder schwerstgradige Körperdeformierungen haben,.... die sind "behindert".... Wenn man auf der Intensivstaion ander Kinder sieht mit offenem Bauch und fiesem Herzfehler, dann rede ich von behindert,... Hm,... weiß nicht so richtig wie ich das rüberbringen soll,... Ich habe immer gedacht das Behinderte nicht behindert genannt werden wollen,... Sie reden eher von gehandicappt,...

Also in diesem (verwirrtem) Sinne

Liebe Grüße

maria
30.12.2005, 21:14
Hallo Julchen,

stimmt, du hast schon Recht, sicher mögen es Menschen mit Handycap nicht gerne, wenn man sie behinderte nennt.
Aber denkst du nicht, das diese negative Einstellung nur von dem bösen Nachgeschmack des Wortes kommt???
Wie schon geschrieben, ich finde dieses Wort persönlich nicht schlimm, würde aber nie zu einem Menschen mit Handycap sagen, du bist behindert.

Kirstin
31.12.2005, 15:26
zu den letzten beiden Einträgen eine kleine Info, man spricht rechtlich jetzt auch nicht mehr von "Behinderten" sondern von "behinderten Menschen", das ist zwar eine Kleinigkeit, und manche fanden diese Änderung überflüssig, ich selbst finde sie sehr gut, weil es mehr auf den individuellen "Mensch" abziehlt und nicht so sehr eine pauschale Gruppe darstellt. Ich selbst habe z.B. früher auch von meinen Eltern gelernt nicht von den "Ausländern" sondern von "ausländischen Kindern" zu reden, einfach, weil sich alles andere so hart und vorurteilbehaftet anhört.

Andrea mit Sabrina
31.12.2005, 19:01
zu den letzten beiden Einträgen eine kleine Info, man spricht rechtlich jetzt auch nicht mehr von "Behinderten" sondern von "behinderten Menschen", das ist zwar eine Kleinigkeit, und manche fanden diese Änderung überflüssig, ich selbst finde sie sehr gut, weil es mehr auf den individuellen "Mensch" abziehlt und nicht so sehr eine pauschale Gruppe darstellt. Ich selbst habe z.B. früher auch von meinen Eltern gelernt nicht von den "Ausländern" sondern von "ausländischen Kindern" zu reden, einfach, weil sich alles andere so hart und vorurteilbehaftet anhört.

Lies Dir mal meine letzte Antwort durch. Das Buch von ihm habe ich seit Weihnachten 2 x gelesen. Er ist taub und fast-blind (2 %) und hat es nach langen Mühen geschafft als geweihter Diakon in der katholischen Kirche arbeiten zu können. Er hat Hilfen an die Hand bekommen (lange darum gekämpft).

Er ist nicht behindert, sondern wird durch mangelnde Hilfe behindert. Und bei behinderten Menschen ist diese Hilfe halt das Wichtige. Wenn die unterbleibt, dann ist es eine Behinderung.

Und einen Behindertenausweis sehe ich einfach als Ausgleich für Probleme diesbezüglich an.

Kirstin
01.01.2006, 19:12
Hallo Andrea,

ich kann Deinem Beitrag nur recht geben, habe eine Person mit ähnlicher Behinderung mal persönlich kennenlernen dürfen. Nur weiß ich nicht was das mit meinem Beitrag zu tun hat, den Du in dem Zusammenhang zitiert hast?! Sorry, brauch da mal noch nähere Erläuterungen.

Andrea mit Sabrina
03.01.2006, 00:18
Es ging mir darum, dass auch Menschen, die wir als behindert bezeichnen würden, ein sehr erfülltes Leben leben können :) . Ich bewundere den Mann in dem Buch. Seine Mailadresse ist in dem Buch auch zu finden und ich werde es ihm in den nächsten Tagen auch schreiben. Man wird bei dem Buch sehr nachdenklich.

Behinderung ist subjektiv zu sehen. Man sollte niemanden als behindert bezeichnen.

Es gibt einen Behindertenausweis - ja. Der Name ist aber irgendwie falsch gewählt. Man könnte es ja auch anders nennen. "Ausweis mit Recht auf Hilfen" oder so. Das Wort Behinderung ist negativ besetzt. Teilweise bezeichenen sich gerade Jugendliche und Kinder im Streit als behindert.

Kirstin
03.01.2006, 12:12
@ Andrea: ja das sehe ich auch so, weiß nur immer noch nicht, warum du in dem Zusammenhang meinen Beitrag zitiert hast, aber o.k., was solls sind ja einer Meinung.

Grummel
04.01.2006, 16:30
Unsere Sohn -- knapp 17 Jahre alt -- kam mit einer einseitigen Lippen-Kiefer-Spalte zur Welt. Er hat viel erdulden und ertragen müssen.. die Operationen, Hänseleien..
aber erst hier im Forum.. das ich erst vor wenigen Monaten entdeckt habe, habe ich zum ersten mal davon gelesen.. dass einem Spalt-Betroffenen ein Behindertenausweis zusteht.
Erst hier wurde mir das bewusst, dass diese Spalte ja wirklich eine Behinderung darstellt..
und klar -- es WAR eine große Behinderung... als er noch ein Baby war.. mein Tag war ausgefüllt mit Milch abpumpen und füttern, Stunden über Stunden.. hatte so gut wie keinen Schlaf.. kam kaum zur Haushaltsarbeit...
aber dennoch.. für uns war unser Sohn immer "normal"

Das Wort "Behinderung" hat leider leider einen negativen Beigeschmack.. aber heute sehe ich es schon so.. es ist eine "Behinderung"..
und nur Mut an alle Betroffenen... nehmt es an, so wie es ist.. und
"lasst euch nicht behindern"

Unregistriert
11.01.2006, 20:57
hallo,

ich hab mal eine frage an dich, die mich momentan sehr umtreibt. unser sohn matthis (10 wochen) hat eine einseitige lkgs. an den meisten tage vergesse ich, dass irgendwas nicht stimmt aber manchmal bekomme ich angst vor der zukunft; ich will ihn beschützen, gerade auch vor den hänseleien. wenn ich mir vorstelle, dass es ihm irgendwann bewusst wird, dass er anders ist und traurig wird, weil er ausgegrenzt wird, bricht es mir das herz. aber ich kann ja nicht immer da sein...

jetzt meine frage: hast du rückblickend tipps für uns, was ihm diese zeit der hänseleien, die wahrscheinlich kommen wird, leichter macht? sollte man das kind trösten, offensiv auf andere (kinder) zugehen und denen erklären, soll man ihm freche sprüche beibringen,...

oder mache ich mir einfach zuviele sorgen? wird man später auf jeden fall merken, dass "etwas nicht stimmt"?

juliane mit matthis

kleinrechner
11.01.2006, 21:32
ich will ihn beschützen, gerade auch vor den hänseleien. wenn ich mir vorstelle, dass es ihm irgendwann bewusst wird, dass er anders ist und traurig wird, weil er ausgegrenzt wird, bricht es mir das herz. aber ich kann ja nicht immer da sein...
richtig, wie du schon sagst, denke ich auch, dass du ihn bestimmt nicht immer aktiv beschuetzen kannst, ich denke aber, dass du aktiv dazu beitragen kannst, dass es ihm nicht aus macht! Es wird immer Menschen geben, die ihn auf sein Aeusseres reduzieren, die Frage ist nur, ob er sich auch darauf reduzieren laesst!
Wie ich und auch andere schon oefter geschrieben haben, denke ich, dass Schluesselwort ist ganz einfach Selbstvertrauen!
Ich denke, einer der Vorteile einer Spalte (ja, es gibt auch Vorteile ;-) ) ist, dass man dadurch etwas relativ schnell nert, was wohl einige Menschen niemals lernen, wie unwichtig Aeusserlichkeiten sind!
Zeig ihm, dass er andere Faehigkeiten hat, evlt Talente oder einfach die Persoenlichkeit, dass dadurch eventuelle Aeusserlichkeiten absolut irrelevant sind und diese seine Faehigkeiten auch keinenfalls beeinflussen! (das klingt vielleicht Theatralisch... ;-) )
Evlt gehoert dazu auch eine gewisse Dosis Arroganz, was das fuer Leute sind, die einen nur aufs Aeussere reduzieren...

Ich denke, das mit dem "merken, das er anders ist", sellst du dir zu plastisch vor, zumindest kann ich mich selber nicht an einen spezifischen Punkt erinnern, an dem ich "es" gemerkt habe. Zum einen denke ich, weis er es ja sowieso, auch wenn er es noch nicht versteht und das verstehen ist auch ein sehr langsammer Prozess, also nicht ein "Punkt" oder so. (IMHO)


sollte man das kind trösten, offensiv auf andere (kinder) zugehen und denen erklären, soll man ihm freche sprüche beibringen,...
ich denke troesten ist nie verkehrt ;-)
Ein offensives Vorgehen von deiner Seite her, finde ich allerdings nicht gut, also weder auf die anderen zuzugehen noch freche Sprueche... ich denke auch nicht, dass das wirklich was bringt...


oder mache ich mir einfach zuviele sorgen? wird man später auf jeden fall merken, dass "etwas nicht stimmt"?
Ich denke, du musst einen Zwischenweg finden, "wegzaubern" kann man eine Spalte nunmal nicht, das heist aber noch lange nicht, das "etwas nicht stimmt"! :-) (Ich hoffe , du verstehst, wie ich das meine)

cu
Christian

Karina
11.01.2006, 22:46
Ich verfolge diese Debatte nun schon ein Weilchen und kann micht nicht länger bremsen auch mal etwas dazu zu sagen.

Ich halte diese Diskussion nicht für besonders sinnvoll. Behinderung oder behindert sein ist doch nichts abwertendes. Es ist nur dann abwertend, wenn man diese Begriffe mit als Synonym für mangelnde Intelligenz, als diskriminierende Äusserung oder ähnliches benutzt oder versteht. Ich gebe Maria Recht, wenn Sie sagt, dass ihr Sohn eine Behinderung bezüglich des Essens und der Sprache hat. Ich sehe es so, dass ich selbst eben diese Behinderungen früher auch hatte. Was ist da so wild dran? Jeder weiß schließlich wie es gemeint ist. Nur wer selbst negativ über Behinderte oder behinderte denkt, würde diese Fesstellung als diskriminierend bezeichnen. Ich finde sie dagegen sachlich und präzise. "Diskriminierend ist, wer diskrimierend dabei denkt".

Ich denke trotzdem nicht, dass es was bringt wenn man sich bezüglich der Auffassung von Behinderung irgendwelche Vorwürfe macht.

Und generell gilt, wer eine Behindertenausweis wegen einer LKGS beantragt, sollte sich damit auch zurechtfinden können, dass man tatsächlich behindert ist. -sonst bräuchte man diesen schließlich nicht.

So, das wärs

maria
12.01.2006, 19:25
Hallo Karina,

vielen vielen Dank für deine Meinung,

ich denke genau so, wenn man pers. das Wort Behinderung als Diskriminierung und Beleidigung sieht, dann ist man selber schuld!